Auch die relativen Preise ändern sich
Von Steffen Huck
Den drastisch steigenden Energiepreisen und Inflationsraten gilt derzeit viel mediale Aufmerksamkeit. Weniger Beachtung findet dagegen, dass sich durch den Krieg in der Ukraine auch das gesamte Preisgefüge ändern wird. Alles mag teurer werden, aber nicht in gleichem Maße. Damit ändern sich die impliziten Austauschverhältnisse zwischen verschiedenen Gütern, kurz gesagt: ihre relativen Preise. Diese sind für Hersteller wie Verbraucher mindestens ebenso wichtig wie das allgemeine Preisniveau.
Neben der Verteuerung von Energie spielen die Folgen der unmittelbaren Bedrohung des Friedens und die damit einhergehenden Ängste der Menschen eine wichtige Rolle.
Güter werden grob gesehen durch Arbeits- und Kapitaleinsatz produziert. Für einen Moment lohnt es sich zudem zwischen energieunabhängigem und energieintensivem Kapitaleinsatz zu unterscheiden: Es ist gerade letzterer, der von den augenblicklichen Umwälzungen betroffen ist. Denn ungeheizte Lagerhaltung wird deutlich weniger von den steigenden Öl- und Gaskosten betroffen sein als etwa chemische Fabriken. Am wenigsten werden sich freilich aber zunächst einmal die Kosten von Arbeit steigern; im Gegenteil: Wenn der Inflationsschub nicht umgehend durch Lohnerhöhungen vollständig kompensiert wird, werden die realen Kosten von Arbeit zunächst einmal sinken und die relativen Kosten entsprechend noch stärker. Genauso fallen mit sinkenden Reallöhnen natürlich die relativen Kosten für arbeitsintensive Freizeitgüter, etwa der Hotelaufenthalt in der nächstgelegenen pittoresken Kleinstadt. Die Attraktivität fernerer Orte wird sich durch die gestiegenen und weiter steigenden Kraftstoffkosten dagegen verringern. Besonders interessant wird es, wenn die pittoreske Kleinstadt einen Trödelladen hat. Schließlich ist alles, was schon in der Vergangenheit hergestellt wurde, kostenseitig überhaupt nicht vom Krieg betroffen. Und so gilt ganz generell: Gebrauchtes wird attraktiver werden im Vergleich zu Neuem, was, nebenbei bemerkt, dem zirkulären nachhaltigen Wirtschaften gut tun wird.
Die weltweiten Verwerfungen des Preisgefüges, von denen reiche Länder wie Deutschland weniger betroffen sein werden, werden ihre schlimmste Wirkung wahrscheinlich über die Kosten für Nahrungsmittel entfalten. Vom Ausfall ukrainischer und russischer Angebote auf dem Weltmarkt ist viel die Rede, wenig dagegen davon, dass Düngerherstellung besonders energieintensiv ist. Der Königsweg erscheint in diesem Fall im Ausbau von grünem Wasserstoff zu sein, der sich besonders zur Düngerherstellung eignet.
Die zweite Wirkungskette auf das Preisgefüge kommt von der Angst: Was wenn der Krieg zu uns kommt? Wenn wir wie so viele Ukrainer plötzlich unsere Sachen packen und fliehen müssen? In Mitteleuropa sind wir von einem solchen Szenario hoffentlich noch weit entfernt. Für die Folgen für relative Preise genügt die Angst davor.
In den Folgejahren der globalen Finanzkrise von 2007 haben sich die Preise physischer Anlageobjekte enorm erhöht. Die vielleicht extremsten Steigerungen gab es bei Oldtimern und Uhren. Ebenso verteuert haben sich Immobilien und Kunst. Wird die Angst vor dem Krieg deren Preise noch weiter in die Höhe treiben?
Für die Beantwortung dieser Frage scheint die Mobilität von Gütern entscheidend: Kann man sie einpacken und mitnehmen oder nicht? Wenn das Haus im Krieg bombardiert wird, ist es weg. Großformatige Gemälde kann man schlecht auf der Flucht transportieren, Uhren, Schmuck und Diamanten hingegen schon. Im Zweifel sind sie an Checkpoints auch noch recht gut zu verstecken.
Eine besonders gute Investitionsmöglichkeit aber zum Schluss. Unsere beste Aussicht ist es, einen Sieg Putins zu verhindern. Dafür haben wir alle gleich mehrfache Anlagenstrategien, von der eine aber heraussticht: eine Überweisung an die Ukrainische Nationalbank. Wenige Investitionen haben seit Langem bessere Returns versprochen.
20.4.22