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Es hätte ein Wirtschaftswahlkampf werden können

Welche Themen die Wahlprogramme prägen 2025 – und welche nicht

In diesem Beitrag aus dem Manifesto-Projekt analysieren wir, welche Themen die Parteien in ihren Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2025 priorisieren, welche sie vernachlässigen und wie diese Schwerpunkte im Vergleich zu den dominierenden Themen der öffentlichen Debatte stehen.

Wiederbelebung des Wachstumsparadigmas?

Wahlprogramme werden in der Regel von ökonomischen Themen dominiert. Bei den Wahlkämpfen 2017 und 2021 war Wirtschaft aber kein polarisierendes Thema, sondern eines, dass über die Kompetenz der Spitzenkandidat:innen beworben wurden. Stattdessen wurden soziokulturelle Themen wie Migration und Gender stärker in den Vordergrund gerückt.
Klassische Wirtschaftsthemen, wie der Gegensatz von Staat und Markt, hatten entsprechend in den vergangenen beiden Wahlkämpfen eine geringere Rolle gespielt. Neben den soziokulturellen Themen gewann die Bekämpfung des Klimawandels wie die Etablierung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise an Bedeutung. Das ändert sich in den aktuellen Programmen wieder. Wie wir aus der Analyse früherer Wahlen wissen, stehen Umwelt und Nachhaltigkeit in wirtschaftlichen Krisenzeiten weniger im Vordergrund. Vor allem die traditionellen Volksparteien kehren dann zum Wachstumsparadigma und ihren alten Kernthemen in der Wirtschaftspolitik zurück. Das Wachstumsparadigma beschreibt die Idee, dass sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme durch stetiges Wirtschaftswachstum lösen lassen. Wachstum wird damit zur Voraussetzung für Fortschritt und Wohlstand. Auch in Deutschland sehen wir im Wahlkampf diesen Trend.

Für die Analyse haben wir die zentralen Wirtschaftskategorien identifiziert. Als zentral betrachten wir all jene Kategorien, die bei mindestens einer Partei unter die TOP-10-Themen fallen. Dadurch ergeben sich fünf zentrale Themen, die pro Wirtschaft ausgerichtet sind: Technologie und Infrastruktur, Bürokratieabbau, sowie Sozialstaatsabbau, freie Marktwirtschaft und Wirtschaftsförderung. Und es gibt sechs Themen, die – auf die Ökonomie und auf soziale sowie ökologische Nebenfolgen bezogen – eher auf die Kontrolle des Marktes abzielen: die Betonung der Grenzen des Wachstums, wenn überhaupt ein Wachstum, dann ein Wachstum der Lebensqualität statt der wirtschaftlichen Zahlen (also das Gegenteil vom Wachstumsparadigma), Nachhaltigkeit, Marktregulierung, positive Bezugnahme auf Arbeitnehmer*innengruppen, Sozialstaatsausbau sowie Umweltschutz und Gleichheit. Bei der FDP sind die größten Veränderungen im Sinne des Wachstumsparadigmas zu verzeichnen. Der Anteil an wachstumsparadigmatischen Aussagen steigt bei ihr um 19 Prozentpunkte an, der Anteil von marktkontrollierenden Aussagen sinkt um 12 Prozentpunkte. Da sie hier bereits 2021 verhältnismäßig hohe bzw. niedrige Werte aufwies, hebt sie sich nun deutlich von den anderen Parteien ab. Nur die AfD macht sogar noch etwas weniger Aussagen zur Marktkontrolle als die FDP. Auch die SPD macht einen deutlichen Wandel Richtung Wachstumsparadigma; marktkontrollierende Aussagen sinken in ihrem Wahlprogramm in ungefähr gleichem Maße (8 Prozentpunkte) wie wachstumsparadigmatische Aussagen steigen (7 Prozentpunkte).

Der Niedergang der Aussagen zur Kontrolle des Marktes ist bei der Union mit dem bei der SPD identisch, allerdings steigt der Anteil wachstumsparadigmatischer Aussagen weniger stark an. Bezieht man 2021 als Ausgangslage mit ein, dann vertritt die CDU/CSU allerdings immer noch eine deutliche Position pro Wachstum als die SPD – ein Unterschied von 10 bis 20 Prozentpunkten. Deutlich weniger Veränderung gibt es bei den Grünen und bei der AfD, auch hier ist bei beiden Parteien die Ausgangslage aber eine vollkommen andere. Bei den Grünen überwiegen die marktkontrollierenden Aussagen, bei der AfD die Aussagen, die eine stärkeres Wachstum befürworten. Die Linke schließlich ist die einzige Partei, bei Aussagen zu einer Kontrolle des Marktes ansteigen.

Blickt man nicht auf die Veränderung, sondern auf den absoluten Anteil, den diese gegensätzlichen Wirtschaftsideen in den Programmen spielen, dann zeigt sich die klassische Aufteilung in links und rechts. Während bei FDP, CDU/CSU und AfD wachstumsparadigmatische Aussagen überwiegen, nehmen Aussagen zur Kontrolle des Marktes in den Programmen der Partei Die Linke, den Grünen, SPD und BSW den größeren Anteil ein. Auch wenn die Parteien also ihrer klassischen Positionierung bei Wirtschaftsthemen treu bleiben, so zeigt der Veränderungstrend (Ausnahme Die Linke) jedoch in Richtung des Wachstumsparadigmas.

Bürokratieabbau und Verwaltungseffizienz als neues Reizthema

Auffallend ist, dass 2025 nicht unbedingt die alten wirtschaftlichen Großtheorien Keynesianismus und Monetarismus die zentrale Rolle spielen – auch wenn sie in Debatten um die „Schuldenbremse“ hindurchscheinen. Das Thema, in dem sich die Parteien 2025 am meisten unterscheiden, ist der Bürokratieabbau: Bemerkenswerte 15 Prozent beträgt der Unterschied zwischen FDP und Die Linke, ca. 10 Prozent jeweils der Unterschied von FDP zu BSW, Grüne und SPD. Die FDP erreicht 2025 ihren höchsten Wert seit Bestehen überhaupt. Aber diesen Fokus auf Bürokratieabbau sehen wir nicht nur bei der FDP; bei der Union ist der Bürokratieabbau 2025 das zweitwichtigste Thema im Wahlprogramm, bei der SPD immerhin das siebtwichtigste, auch wenn sie im Niveau deutlich unter FDP und Union liegt. Insgesamt hat das Thema bei fast allen Parteien an Bedeutung gewonnen, allerdings in unterschiedlichem Maße. Am deutlichsten ist der Anstieg bei der FDP, mit deutlichem Abstand dahinter folgen SPD, CDU/CSU und Grüne, kaum an Bedeutung gewonnen hat es bei AfD und der Partei Die Linke.

Dass Technologie und Infrastruktur ein zentrales Thema ist, da scheinen sich die Parteien weitgehend einig. Mit Ausnahme der Partei Die Linke findet sich das Thema bei allen Parteien unter den TOP 5 Themen. Die Parteien widmen dem Thema zwischen 7 und 12 Prozent ihres Wahlprogramms. Die größte Bedeutung hat das Thema im Unions-Wahlprogramm, die es mit über 11 Prozent zu ihrem TOP-1-Thema gemacht haben. Bei FDP und BSW kommt es an zweiter Stelle hinter Bürokratieabbau bzw. Sozialstaatsausbau und bei der SPD an dritter Stelle hinter Gleichheit und Sozialstaatsausbau. Im Gegensatz dazu weisen alle Parteien einen Rückgang in der Kategorie Anti-Wachstumspolitik und Nachhaltigkeit auf. Am stärksten ist der Rückgang bei den Grünen, die allerdings natürlich auch von einem hohen Niveau kamen. Kaum zurückgegangen ist das Thema bei der AfD. Bei einem Ausgangswert aus 2021 von 0,32 % ist das allerdings auch kein Wunder.

Insgesamt sehen wir also keine vollständige Rückkehr zu den alten Wirtschaftskonzepten, die Wachstum in den Mittelpunkt stellen, sondern eher ein situatives Betonen von Effizienz bei gleichzeitiger Herabstufung von Nachhaltigkeitszielen. Klassisch ökonomisch rechte Positionen wie Wirtschaftsförderung und Haushaltsdisziplin werden von der Union gegenüber 2021 etwas stärker betont, erreichen aber lange nicht die Werte wie in den 1990er und 2000er Jahren. Auch der Ausbau des Sozialstaats bleibt als Thema grundsätzlich erhalten. Die Aussagen zu diesem Thema haben sich nur geringfügig reduziert. Die Linke, SPD, BSW und Grüne liegen – in dieser Reihenfolge – jeweils über 10 Prozent. Das Sozialstaatsthema trennt die Parteien links und rechts der Mitte: Die FDP ist die Partei, die einen traditionell hohen Wert bei Forderungen zum Rückbau des Sozialstaats hat, AfD und die Union weisen einen leichten Anstieg auf.

Wir sehen somit eine Verschiebung weg von der Betonung der Grenzen des Wachstums und Nachhaltigkeit hin zu einem Umbau des Staates unter Effizienzgesichtspunkten, also Bürokratieabbau und Rückbau von Regelungen, die in der Klima-, Sozial- und Umweltpolitik liegen. Dies mag eine Reaktion auf die Stärke der Rechtsaußenpartei AfD sein, die die Klimapolitik als Spaltthema nutzen kann, um mit Hilfe einer Gegenposition zur Klimaschutzpolitik den vermeintlichen Konsens bei allen anderen Parteien anzugreifen und deren Wählerschaft zu spalten. Mit der Herausstellung ihrer Wirtschaftskompetenz versuchen die anderen Parteien dem entgegenzuwirken.

Vor diesen auch in der Bevölkerung als wichtig empfundenen Wirtschaftsthemen dominiert in der öffentlichen Debatte allerdings derzeit der Umgang mit Migration. Welche Rolle spielt dieses Thema in den Wahlprogrammen?

Migrationspolitik: Diskrepanz zwischen öffentlicher Debatte und den Wahlprogrammen

Die Themen Migration und Asyl beherrschen in den (sozialen) Medien und (Polit-)Talkshows derzeit die Debatte. Das wirkt sich auch auf die Wahrnehmung in der Bevölkerung aus. Umfragedaten der Forschungsgruppe Wahlen zufolge sind Migration und Integration seit Ende 2023 in der Wahrnehmung der Bevölkerung wieder das dominante politische Thema in Deutschland. Zwei Wochen vor der Wahl nennen 40 Prozent der Befragten „Ausländer/Integration/Flüchtlinge“ als wichtiges Problem in Deutschland, mehr als jedes andere Thema. Noch höher lag der Wert nur zur Bundestagswahl 2017. Der Wert unterliegt aber auch sehr kurzfristigen Veränderungen: Alleine in der letzten Januarwoche ist er um 13 Prozent gestiegen und seit Ende November hat er sich beinahe verdoppelt. In den Wahlprogrammen spielen diese Themen allerdings eine untergeordnete Rolle.

Im Manifesto-Projekt untersuchen wir migrationspolitische Themen mithilfe von vier Kategorien. Das ist zum einen die positive oder negative Haltung zu einer „nationalen Lebensweise“, die neben Äußerungen mit Bezug zu Nationalismus vor allem auch Positionen zur Zuwanderung einschließt. Zum anderen messen wir die Zustimmung zu bzw. Ablehnung von Multikulturalismus, also beispielsweise Standpunkte zu Diversität und Integrationsangeboten.

Angewandt auf die Wahlprogramme erzeugen diese Kategorien folgendes Bild: Die Ampelparteien und das BSW widmen weniger als 4 Prozent ihrer Programminhalte migrationspolitischen Themen, die Linke sogar weniger als 2 Prozent. Für SPD, Grüne und Linke entsprechen diese Werte in etwa denen der vergangenen Wahlen, für die FDP ergibt sich ein Anstieg von etwas über einem Prozentpunkt. Deutlich mehr Gewicht hat das Thema Migration im Programm der Union mit 6,3 Prozent, die mit einem Plus von 2,5 Prozentpunkten auch den höchsten Anstieg im Vergleich zu 2021 verzeichnet. Überboten wird der Wert der Union nur noch vom Programm der AfD mit 13,3 Prozent, die der Migration geringfügig weniger Raum gibt als vor vier Jahren. Wenig überraschend bestätigt der Blick in die Programme also Migration als Kernthema der AfD. Nur bei der AfD gehört die Zuwanderung zu den zehn meistbehandelten Themen.

Auch wenn das Thema im Vergleich zu 2021 geringfügig bzw. im Falle der Union deutlich an Bedeutung gewonnen hat, liegen die Werte immer noch deutlich hinter denen aus dem Jahr 2017, als Migration ebenfalls den Wahlkampf dominierte und die AfD erstmals in den Bundestag einzog. Die Daten bestätigen eine in der Politikwissenschaft gut belegte Theorie. Je mehr über ein Thema im Wahlkampf gesprochen wird, desto wahrscheinlicher wird die Partei gewählt, deren Kernthema es ist. Bei Migration ist das die AfD. Die anderen Parteien tun aus wettbewerbstheoretischer Sicht also gut daran, diese Themen weniger stark zu betonen, allerdings scheinen sie damit in der öffentlichen Debatte nicht durchzukommen.

Zeitenwende – auch in den Wahlprogrammen?

Ein anderes Thema, das in der öffentlichen Debatte in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit bekommen hat, ist die äußere Sicherheit. Der Krieg in der Ukraine hat in der vergangenen Legislaturperiode eine große Eruption im politischen System verursacht und zu einem grundsätzlichen Umdenken in der deutschen Außenpolitik geführt. Während Sicherheits- und Verteidigungspolitik über viele Jahrzehnte keine große Rolle im politischen Diskurs spielten, hat sich das mit dem 24. Februar 2022 abrupt verändert. Drei Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, hielt Bundeskanzler Olaf Scholz seine berühmt gewordenen Zeitenwende-Rede im Bundestag, in der er ankündigte, dass die Bundeswehr mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro ausgestattet würde, um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands herzustellen und die Ukraine zu unterstützen. Besonders für die Grünen, die ihre Wurzeln unter anderem in der Friedensbewegung haben, aber auch für die SPD bedeutete dies einen großen Wandel in der eigenen verteidigungspolitischen Positionierung.

Die veränderte Bedeutung, die dem Thema in der Folge in der öffentlichen Debatte in Deutschland zukam, spiegelt sich auch in den Wahlprogrammen wieder. Bei fast allen Parteien ist die Bedeutung verteidigungspolitischer Aussagen in den Wahlprogrammen im Vergleich zu 2021 angestiegen. Am deutlichsten ist das bei den Grünen; im Vergleich zu 2021 schenken sie dem Thema fast die doppelte Aufmerksamkeit. Der geringste Anstieg ist dagegen bei der Partei Die Linke zu beobachten. Die AfD wiederum ist die einzige Partei, bei der verteidigungspolitische Fragen im Wahlprogramm 2025 eine geringere Rolle spielen als in 2021. Trotz dieses zu verzeichnenden Anstiegs bei fast allen Parteien, gehören verteidigungspolitische Themen dennoch in der Regel nicht zu den wichtigsten Themen in den Wahlprogrammen. Betrachtet man alle verteidigungspolitischen Aussagen zusammen, unabhängig davon, ob sie sich für oder gegen mehr militärische Stärke aussprechen, dann widmen die Parteien (mit Ausnahme des BSW) diesem Thema zwischen 2 und 5,5 Prozent ihrer Aussagen. Klarer Ausreißer ist das BSW, das dem Themenkomplex über 10 Prozent seines Wahlprogramms widmet.

Schaut man sich allerdings genauer an, wie die Parteien über sicherheits- und verteidigungspolitische Fragen sprechen, dann sind doch deutliche Unterschiede zwischen den Parteien erkennbar. Bei CDU/CSU und FDP finden sich vor allem Aussagen, die für mehr militärische Stärke plädieren. So spricht sich die CDU/CSU zum Beispiel für eine starke Bundeswehr („Daher arbeiten wir für eine verteidigungsbereite und kampffähige Bundeswehr.“ – S. 49) und amerikanische Waffenstationierungen in Deutschland aus („Wir begrüßen die Ankündigung der USA zur Stationierung weitreichender Waffensysteme in Deutschland.“ – S. 50). Eine diametral entgegengesetzte Position findet sich beim BSW und der Partei Die Linke. Hier dominieren Aussagen, die sich für Abrüstung und Frieden aussprechen („Das BSW ist die einzige Friedenspartei im Deutschen Bundestag, die die aktuelle Hochrüstung ebenso konsequent ablehnt wie Waffenlieferungen in Kriegsgebiete.“, BSW-Wahlprogramm 2025, S. 2), militärische Stärke dagegen wird nicht betont. Allerdings sollte erwähnt sein, dass der Unterschied zwischen BSW und Die Linke erheblich ist und die linke Position im Vergleich zur Position des BSW fast gemäßigt erscheint. Zwischen diesen Positionen lassen sich SPD, die Grünen und die AfD verorten. Sie alle machen zu ungefähr gleichen Teilen Aussagen, die für militärische Stärke plädieren als auch solche, die sich für Abrüstung aussprechen. Die Ausgangsposition dieser drei Parteien unterscheidet sich aber. Während bei der AfD 2021 noch klar Aussagen dominierten, die militärische Stärke hervorhoben, war es bei SPD und Grünen andersherum, hier dominierten 2021 noch Aussagen, die sich für Abrüstung und Frieden aussprachen. Mit ihrer Positionsveränderung steht die AfD alleine da. Während bei der AfD Aussagen abgenommen haben, die sich für militärische Stärke aussprechen, haben sie bei allen anderen Parteien zugenommen. Bei der CDU/CSU ist es damit sogar zum fünftwichtigsten Politikziel geworden. Der Wandel in der AfD-Position kommt auch durch ihre Positionierung mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zustande, so steht zum Beispiel im AfD-Programm „Es darf keinen neuen ‚Eisernen Vorhang‘ in Europa geben.“ (S. 90).

Nicht mit 2021 vergleichen lässt sich das Programm des BSW, da die Partei sich erst vor einem Jahr gegründet hat. Ein entscheidender Punkt in ihrer Entstehungsgeschichte war die Positionierung von Sahra Wagenknecht zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Das spiegelt sich nun auch in der Positionierung des BSW wieder. Das BSW ist die Partei, die mit Abstand am meisten für Abrüstung plädiert. Es macht fast 7 Prozent ihres Wahlprogramms aus und ist damit das viertwichtigste Thema für das BSW.

Die von Olaf Scholz markierte Zeitenwende ist also auch in den Wahlprogrammen angekommen, wenn auch mit weniger starken Veränderungen auf Parteienebene, als man vielleicht hätte erwarten können. Auch mit Blick auf die Verteidigung und Stärkung unserer Demokratie, die sich aktuell einigen Herausforderungen stellen muss, stellt sich die Frage, welchen Stellenwert diesem Thema in den Wahlprogrammen tatsächlich zukommt.

Demokratie: (K)ein Wahlkampfthema?

Das Erstarken rechtsradikaler und -populistischer Parteien in Europa stellt eine zunehmende Bedrohung für demokratische Werte dar. Auch in Deutschland ist das Thema präsenter denn je: Erst im vergangenen Jahr konnte die AfD bei den ostdeutschen Landtagswahlen hohe Wahlerfolge erzielen. Zudem hat die Diskussion über den Umgang mit der AfD nach dem Fall der sogenannten „Brandmauer“, die durch die gemeinsame Abstimmung von Union und FDP mit der AfD durchbrochen wurde, deutlich zugenommen. Gleichzeitig gibt es immer wieder Hinweise darauf, dass verschiedene Akteure, wie zum Beispiel Elon Musk oder auch der russische Präsident Wladimir Putin, direkt oder indirekt den Wahlkampf in Deutschland beeinflussen. Angesichts dieser Herausforderungen könnte man erwarten, dass die Stärkung der Demokratie einen hohen Stellenwert in den Wahlprogrammen der Parteien einnimmt. Ein Blick in die Wahlprogramme zeigt jedoch ein anderes Bild.

Im Vergleich zur Wahl 2021 hat die Wichtigkeit des Themas Demokratie in den Wahlprogrammen der sieben untersuchten Parteien abgenommen. Besonders stark fällt der Rückgang bei der FDP aus, die dem Thema rund 2,7 Prozentpunkte weniger Raum gibt. Am wenigsten Gewicht wird der Demokratie jedoch im Programm der Union beigemessen – hier liegt der Anteil bei nur 1,7 Prozent. Im Gegensatz dazu nehmen die Grünen mit etwa 5 % das Thema am stärksten auf, gefolgt vom BSW mit 4,6 Prozent und der Linken mit rund 3,5 Prozent.

Während alle Parteien das Ziel verfolgen, die Demokratie in Deutschland zu stärken, verfolgen sie jedoch teilweise unterschiedliche Ansätze. Ein detaillierter Blick in die Wahlprogramme zeigt sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zwischen den Parteien. Große Überschneidungen finden sich unter anderem zwischen der AfD und dem BSW: Beide Parteien betonen die Wichtigkeit direkter Volksbeteiligung und fordern daher die Einführung von Volksabstimmungen auf Bundesebene. Zudem sehen beide Parteien die Meinungsfreiheit in Gefahr und fordern eine stärkere Bekämpfung von Einschränkungen durch staatliche Eingriffe sowie den Einfluss des öffentlichen Rundfunks. So heißt es beispielsweise im Wahlprogramm der AfD in Bezug auf den öffentlichen Rundfunk: „Der strukturell, personell und finanziell eng mit den etablierten Parteien vernetzte Apparat nutzt diese Macht entgegen den Anforderungen des Medienstaatsvertrags gezielt zur Meinungsmache bis hin zur Manipulation“ (S. 174). Im Wahlprogramm des BSW heißt es: „Wir wollen wieder ein gesellschaftliches Klima herstellen, in dem jeder Bürger das Gefühl hat, seine Meinung frei äußern zu können. […] Zurzeit werden jedoch Steuergelder in Millionenhöhe ausgegeben, um das Meinungsklima in Deutschland zu beeinflussen“ (S. 38).

Die Union und die FDP hingegen betonen mehr den Schutz und die Stärkung der bestehenden Institutionen sowie der Rechtsstaatlichkeit. Beide Parteien setzen einen Fokus auf die Verteidigung der Demokratie gegen äußere Bedrohungen und autokratische Staaten wie Russland und China und denken die Verteidigung demokratischer Werte im europäischen Kontext. Die Union betont: „Autokratische Staaten versuchen, Demokratie und Freiheit weltweit zurückzudrängen – diesen hybriden Bedrohungen sind auch wir ausgesetzt. Gemeinsam in Europa und mit unseren Partnern und Verbündeten setzen wir uns diesem Streben entschlossen zur Wehr“ (S. 48).

Die SPD, die Grünen und Die Linke eint eine gemeinsame Betonung der Stärkung der demokratischen Teilhabe und der Einbindung der Bürger*innen in politische Entscheidungsprozesse. Alle drei Parteien plädieren für eine Demokratisierung auf verschiedenen Ebenen, mit einem besonderen Fokus auf die Förderung der politischen Mitbestimmung für junge Menschen und die stärkere Einbindung von Bürgerräten. Dabei fordern alle drei Parteien die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Die Linke geht zudem explizit auf die zunehmende Gefahr für die Demokratie durch die Normalisierung rechtsradikaler Rhetorik ein und kritisieren damit gleichzeitig die anderen Parteien: „Wir halten aber auch nicht still, wenn Parteien der sogenannten ‚Mitte‘ die Parolen und Rhetorik der Rechtsradikalen übernehmen, sondern wehren uns lautstark gegen diese Normalisierung rechtsextremen Gedankenguts“ (S. 48).

Fazit

Insgesamt zeigt sich, dass sich die abzeichnende Wirtschaftskrise in den Wahlprogrammen stärker widerspiegelt als es in der öffentlichen Wahrnehmung derzeit den Anschein hat. Innerhalb der ökonomischen Themen verlagert sich der Fokus von einer marktkontrollierenden Perspektive hin zum klassischen Wachstumsparadigma. Gleichzeitig zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Parteien links und rechts der Mitte – insbesondere in Bezug auf den Sozialstaat und den Umfang des geplanten Bürokratieabbaus. Auffällig ist zudem, dass zentrale Themen der öffentlichen Debatte – Migration, Demokratie sowie Außen- und Sicherheitspolitik – in den Wahlprogrammen eine vergleichsweise geringe Rolle spielen.