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Lehren aus Südafrikas Alkoholverbot

Selten haben Forschende die Gelegenheit, quasi „natürliche“ landesweite Experimente zu untersuchen, die einen erheblichen Einfluss auf den Alkoholkonsum haben. Das plötzliche landesweite Alkoholverbot in Südafrika während der Covid-19-Pandemie bot eine solche einzigartige Gelegenheit. Diese nutzte ein interdisziplinäres Forscherteam, dem WZB-Forscher Kai Barron und südafrikanische Gesundheitswissenschaftler angehörten, und untersuchte die Auswirkungen des Verbots.

Was genau ist passiert? Am 13. Juli 2020 verbot die Regierung Südafrikas plötzlich für fünf Wochen den Verkauf von Alkohol – mit dem Ziel, das Gesundheitssystem zu entlasten und die Todes- und Verletztenfälle in Zusammenhang mit Alkoholkonsum zu reduzieren. Das Resultat war beeindruckend: Gewaltverbrechen und verletzungsbedingte Todesfälle gingen stark zurück. Die Ergebnisse, die jetzt im „Review of Economics and Statistics“ veröffentlicht wurden, liefern wertvolle Erkenntnisse über die gesellschaftlichen Auswirkungen des Alkoholkonsums.

Die zwiespältige Natur von Alkohol ist gut dokumentiert: Während er oft als soziales Schmiermittel dient und weltweit weit verbreitet ist, führt übermäßiger Konsum zu einer Vielzahl von gesellschaftlichen Schäden. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass Alkohol für etwa 5 Prozent der weltweiten Todesfälle verantwortlich ist, darunter fast eine Million verletzungsbedingte Todesfälle pro Jahr. In Südafrika sind sowohl starker Alkoholkonsum als auch gewalttätiges Verhalten zu beobachten, was nahelegt, dass Maßnahmen zur Kontrolle des Alkoholkonsums eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der öffentlichen Gesundheit spielen könnten.

Das Alkoholverbot senkte die verletzungsbedingte Sterblichkeit um mindestens 14 Prozent

2020 gab es in Südafrika drei Alkoholverbote, aber nur das Verbot ab Juli 2020 wurde abrupt und ohne Vorankündigung eingeführt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass dieses plötzliche Alkoholverbot zu einem Rückgang der verletzungsbedingten Sterblichkeit um mindestens 14 Prozent führte. Vor allem Männer waren betroffen, die die Mehrheit der alkoholbedingten Todesfälle ausmachen. Darüber hinaus ging während des Verbots die Zahl der gemeldeten Gewaltverbrechen deutlich zurück: Tötungsdelikte sanken um 21 Prozent, Körperverletzungen um 33 Prozent und gemeldete Vergewaltigungen um 19 Prozent. Diese Zahlen unterstreichen den starken Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Aggression und bestätigen bestehende Forschungsergebnisse, die Alkohol mit gewalttätigem Verhalten in Verbindung bringen.

Untersuchungen zu den Auswirkungen historischer Maßnahmen zur Regulierung des Alkoholkonsums wie zum Beispiel der Prohibition, die von der amerikanischen Abstinenzbewegung (U.S. Temperance Movement) ausging, führten zu gemischten Ergebnissen. Im Gegensatz dazu bietet das plötzliche und unerwartete Alkoholverbot in Südafrika ein klareres Bild davon, wie sich die Beschränkung der Verfügbarkeit von Alkohol unmittelbar auswirkt. Die abrupte Umsetzung des Verbots und die relativ stabilen gesellschaftlichen Bedingungen während der Durchsetzung boten die einzigartige Möglichkeit, die Folgen des Alkoholkonsums von anderen gesellschaftlichen Faktoren zu trennen. Dieser Ansatz gibt jedoch keinen Aufschluss über mögliche langfristige Folgen eines solchen Verbots, wenn es schrittweise und über einen längeren Zeitraum hinweg umgesetzt wird.

Ein umfassender Ansatz ist erforderlich

Die Ergebnisse machen deutlich, dass der Regulierung des Alkoholkonsums mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Dabei betonen die Forscher die Bedeutung kontextspezifischer Strategien, die auf die lokalen Gegebenheiten zugeschnitten sind. Das südafrikanische Verbot war kurzfristig sehr wirksam. Um jedoch langfristige und nachhaltige Maßnahmen für eine gesunde Kultur des Alkoholkonsums zu entwickeln, ist ein sorgfältiges und durchdachtes Vorgehen erforderlich. Eine Kombination verschiedener Maßnahmen kann notwendig sein, um alkoholbedingte Schäden nachhaltig zu verringern. Dazu könnten gehören: eine strengere Durchsetzung bestehender Gesetze, öffentliche Gesundheitskampagnen und gezielte Angebote für starke Trinker. Gemeinsam zielen diese Bemühungen darauf ab, unmittelbare Schäden zu reduzieren und gleichzeitig eine Kultur des verantwortungsvollen Alkoholkonsums zu fördern.

Weltweit setzen sich viele Länder mit der Komplexität der Alkoholregulierung auseinander – die Erfahrungen Südafrikas liefern wertvolle Erkenntnisse für die schwierige Aufgabe, ein Gleichgewicht zwischen öffentlicher Gesundheit und individuellen Freiheiten zu finden. Die Auswirkungen sind klar: Eine solide, evidenzbasierte Politik kann dazu beitragen, Gewalt und Gesundheitsschäden zu verringern.

11.12.2024, kes/KKI