Pressemitteilung

Der Mehrheitswille zählt

Geringer als gedacht: Der Einfluss der Nichtwähler auf die Regierungsbildung

Nichtwähler haben weniger Einfluss auf die Regierungsbildung als oft vermutet. Das legt eine neue Studie des WZB-Forschers Ulrich Kohler nahe. Darin zeigt er, dass eine höhere Wahlbeteiligung nur bei zwei Bundestagswahlen, 1994 und 2005, zu einer anderen Regierungsbildung im Bund hätte führen können.

Der empirische Soziologe am Wissenschaftszentrum für Sozialforschung (WZB) hat für alle Bundestagswahlen seit 1949 ermittelt, wie wahrscheinlich eine andere Regierungsbildung gewesen wäre, wenn die Nichtwähler doch ihre Stimme abgegeben hätten. Dies gelang ihm dank einer neuen statistischen Methode, mit deren Hilfe er zukünftig noch genauere Aussagen über den Einfluss der Nichtwähler treffen möchte.

2005 betrug die Wahrscheinlichkeit, dass die SPD mehr Stimmen als die CDU bekommen hätte, 85 Prozent. Sehr wahrscheinlich wäre also Gerhard Schröder und nicht Angela Merkel Wahlsieger gewesen. Für eine rot-grüne Koalition hätten die Mandate dennoch nicht gereicht. Vielleicht wäre dann eine große Koalition unter der Führung der SPD gebildet worden.

Für die Bundestagswahl von 1994 gab es die sehr kleine Wahrscheinlichkeit von drei Prozent, dass die CDU/FDP-Koalition die absolute Mehrheit der Mandate verfehlt hätte. Rechnerisch möglich gewesen wären eine schwarz-grüne Koalition oder eine große Koalition.

Obwohl es bei der Wahl von 2003 eine Wahrscheinlichkeit von zehn Prozent gab, dass Edmund Stoiber mehr Stimmen erhalten hätte als Gerhard Schröder, hätte es nicht für die angestrebte bürgerliche Koalition gereicht. Rot-Grün hätte trotz Stoibers Wahlsiegs weiterregieren können – so wie es dann auch geschah.

Bei allen anderen Bundestagswahlen hätte der Urnengang der Nichtwähler rechnerisch keine Alternative zur erfolgten Regierungsbildung gebracht.

„Auch wenn im politischen System der Bundesrepublik die Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen im Einzelfall unterrepräsentiert gewesen sein mögen, so entsprachen Regierungsbildungen im Wesentlichen dem Willen der Mehrheit“, fasst Kohler seine Ergebnisse zusammen.

Über die Ergebnisse der Studie berichtet der Autor in der aktuellen Ausgabe der Vierteljahreszeitschrift WZB-Mitteilungen.

Zum Beitrag in den WZB-Mitteilungen (PDF)

Pressekontakt:
Dr. Ulrich Kohler, Abteilung Ungleichheit und soziale Integration, Tel.: 030/25491-361, E-mail: kohler [at] wzb.eu

Claudia Roth, Pressestelle, Tel.: 030/25491-510, E-mail: claudia.roth [at] wzb.eu