Wahrnehmungen sozialer Ungleichheit im Vergleich: Präventionsdebatten um chronische Krankheiten des Herzkreislauf-Systems in Deutschland und Groβbritannien, 1918-1992
Im Rahmen eines vergleichenden Zugangs wird die Wahrnehmung sozialer Ungleichheit in Deutschland und Großbritannien im 20. Jahrhundert untersucht. Anhand von Präventionsdebatten um chronische Herzkreislauf-Krankheiten sollen die nationale Prägung, historische Entwicklung und präventionspolitische Konsequenz von Ungleichheitswahrnehmungen erforscht werden. Durch die kulturhistorische Perspektive, die Wahrnehmungsperspektiven in den Mittelpunkt stellt, wird ein bislang wenig beachtetes Feld der historischen Sozialstaatsforschung erschlossen und ein Beitrag zum Verständnis der europäischen Sozialstaatsgeschichte geleistet.
Speziell die zum Herzinfarkt führende Arteriosklerose wurde schon früh als Zivilisationskrankheit beschrieben. Solche als Spiegel der Gesellschaft fungierenden Krankheiten stellen ein exemplarisches Feld dar, in dem gesellschaftliche Werte, Normen und Ordnungsvorstellungen reflektiert werden. Die Wahrnehmung sozialer Ungleichheit ist Teil dieses Feldes, da die Ursachen dieser Krankheiten kontinuierlich mit spezifischen Arbeits- und Lebensbedingungen assoziiert wurden.
Präventionsdebatten um chronische Herzkreislauf-Krankheiten werden als Sonde genutzt, um Ungleichheitswahrnehmungen in zwei Ländern, die sich sowohl bezüglich der Gesundheitssysteme als auch der sozialstaatlichen Strukturen unterscheiden, zu analysieren. Präventionsdebatten, so wird angenommen, waren kulturell geprägt und verhandelten gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen. Es wird vermutet, dass die in den Präventionsdebatten erkennbaren Ungleichheitswahrnehmungen die konkrete Ausformung der Prävention im 20. Jahrhundert beeinflussten. So verbindet das Projekt einen kulturhistorischen Ansatz mit der übergreifenden Frage nach der Gestaltung und den Konturen des modernen Sozialstaates.
Die Historikerin Jeannette Z. Madarász (MA Cantab, PhD London) war von Januar 2007 bis März 2011 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am WZB. Von Juli 2010 bis März 2011 bearbeitete sie ein historisches Projekt zur Kulturgeschichte der Prävention.